Führungspersönlichkeiten aus Wissenschaft, Wirtschaft, Politik und Zivilgesellschaft diskutierten das facettenreiche Thema Digitalisierung.
Bei den hier veröffentlichten Zitaten handelt es sich um Redebeiträge während des Forschungsgipfels am 12. April 2016 in Berlin.
PDF-Download der Broschüre mit den Zitaten
Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel
"Wir als Politiker wissen nur, was wir haben. Wir besuchen Unternehmen und kennen die Leute. Was andere auf der Welt haben und wir gar nicht oder zu wenig haben, wissen wir nicht. (…) Das sind die Dinge, wo wir von Ihnen jede Menge Informationen brauchen. Und das strukturiert und so kompakt wie möglich."
Prof. Dr. Christof Weinhardt
Leiter des Instituts für Informationswirtschaft und Marketing am Karlsruher Institut für Technologie, Karlsruhe
"Wir brauchen mehr Mut zur Interdisziplinarität – von innen wie von außen! Beziehen wir doch die Menschen selbst früh in unsere Forschungsarbeit mit ein! Dann klappt es auch besser mit der Akzeptanz von echten Innovationen in unserer Gesellschaft und auch in anderen Gesellschaften mit anderen Bedürfnissen und kulturellem Hintergrund."
Timotheus Höttges
Vorstandsvorsitzender der Deutschen Telekom AG, Bonn
"Das Silicon Valley ist nicht entstanden in dem Moment, in dem man eine Bundesnetzagentur geschaffen hat, oder in dem Moment, in dem man Rahmenbedingungen definiert hat. Sondern es ist zutiefst liberal, ökonomisch, evolutionär entstanden – und dadurch natürlich auch etwas chaotisch und durchaus auch im Grenzbereich zu Gesetzen – siehe Uber. Wenn wir versuchen, diese Innovation in den Rechtsrahmen reinzuzwingen, den wir für die klassischen Industrien geschaffen haben, dann wird dabei nur etwas Langsameres herauskommen. Wir müssen diese Rahmenbedingungen adaptieren an die neue Welt. Und es gibt genug blueprints dafür."
Dr. Dieter Zetsche
Vorsitzender des Vorstandes der Daimler AG und Leiter Mercedes-Benz Cars, Stuttgart
"Gerade in Zeiten der digitalen Revolution gilt: Der Weg des geringsten Widerstandes ist auch der gefährlichste."
Prof. Sandra Sieber
Vorsitzende der Abteilung für Informationssysteme, IESE Business School, University of Navarra, Barcelona
"Herr Höttges, Sie haben gesagt, wir brauchen mehr Tüftler (…) Wir nennen das immer: Wir brauchen mehr Hacker! Denn: Um ein Geschäftsmodell umzubauen, kann man nicht mit dem gleichen System rangehen, mit dem man groß geworden ist."
Gerard de Graaf
Direktor der Europäischen Kommission für Digitale Wirtschaft und Koordinierung, Brüssel
"Wir haben keine positive Datenkultur in Europa. Wir dürfen nicht immer nur über Datenschutz reden, sondern müssen die Leute überzeugen, dass die Nutzung von Big Data auch große Vorteile bringen kann, nicht nur für die Wirtschaft, sondern für jeden einzelnen."
Pavel Richter
CEO Open Knowledge International, Berlin und Cambridge, Großbritannien
"Gerne wird von Daten als Rohstoff gesprochen, das halte ich für falsch. Wertstoff ist das eigentliche Wort, was wir verwenden sollten. Wir sollten Daten als eines der zentralen Grundlagenprodukte begreifen und dann wendet sich natürlich die Forderung ganz klar an einen zentralen Datenproduzenten, wahrscheinlich den größten Produzenten, und wir reden nicht über Facebook, sondern wir reden über den deutschen Staat. Der Staat produziert enorme Mengen an Daten, die wir alle bezahlen (…), auf die wir keinen Zugriff haben – und mit wir meine ich tatsächlich uns alle."
Dirk Wittkopp
Vice President Germany Lab und Geschäftsführer IBM Deutschland Research & Development GmbH, Böblingen
"Wir sollten nicht so oft über Daten-Sparsamkeit, sondern viel eher über Daten-Reichtum reden und diesen produktiv nutzen. Wir sollten eher Technologie als Regulierung dafür nutzen, um den Datenschutz zu sichern. Block Chain ist ein gutes Beispiel dafür."
Prof. Dr. Christof Weinhardt
Leiter des Instituts für Informationswirtschaft und Marketing am Karlsruher Institut für Technologie, Karlsruhe
"Vielleicht brauchen wir eine Ethikkommission für die digitale Transformation. Es würde eventuell mehr Akzeptanz in der Bevölkerung schaffen, wenn man weiß, dass diese Fragen im öffentlichen Raum diskutiert werden."
Lars Klingbeil
Mitglied des Bundestages und Mitglied des Ausschusses Digitale Agenda, Berlin
"Obama hat die Podesta-Kommission zu Big-Data-Fragen eingesetzt. (…) So etwas brauchen wir in Deutschland auch, wenn wir Datenschutz und Innovation zusammenbringen wollen. Wir müssen in den Diskussionen von der Metaebene runterkommen und sehr konkret werden. Wir haben damals in der Enquete-Kommission schon Lösungen formuliert. Es fehlt an der Umsetzung. Es liegt alles auf der Hand – aber irgendwie kriegen wir es nicht hin."
Marc Reinhardt
Vice President, Capgemini Consulting Deutschland, Berlin
"Wichtig ist die digitale Selbstbestimmtheit. Jeder muss in der Lage sein, sein digitales Ego steuern und bestimmen zu können."
Prof. Dr. Indra Spiecker gen. Döhmann, LL.M.
Lehrstuhl für Öffentliches Recht, Informationsrecht, Umweltrecht und Verwaltungswissenschaft der Goethe-Universität, Frankfurt am Main
"Datenschutz erhöht auch den Wert von Daten. Wenn Daten allen gehören, sind sie oft nichts wert. Datenschutz und IT-Sicherheit sind etwas, womit man auch kommerziell punkten kann. Bei den Datenschutzrichtlinien müssten wir weg von der Verfahrens- und hin zu einer Ergebniskontrolle."
Arne Schönbohm
Präsident des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik, Bonn
"Die Cyberkriminalität nimmt dramatisch zu. Wer nicht in Cybersicherheit investiert, gefährdet sich. Hier müssen Wissenschaft, Wirtschaft und staatliche Stellen viel besser zusammenarbeiten, wie dies zum Beispiel in Israel schon lange geschieht."
Prof. Dr. Michael Waidner
Institutsleiter Fraunhofer-Institut für Sichere Informationstechnologien und Lehrstuhl für Sicherheit in der Informationstechnik an der TU Darmstadt, Darmstadt
"Deutschland hat eine exzellente Forschung im Bereich der IT-Sicherheit, aber wir sind schlecht darin, dies in ein Geschäft umzuwandeln. Wir brauchen hier mehr angewandte Forschung – mit Cybersicherheit kann man reich werden."
Markus Beckedahl
Gründer und Chefredakteur von netzpolitik.org e.V. und Gründer der re:publica, Berlin
"Die Hacker-Community hat Recht, wenn sie sagt, öffentliche Daten nützen, private Daten schützen. Die Zurverfügungstellung öffentlicher Daten sollte ausgebaut werden."
Martin Buck
Vorsitzender des Vorstandes der ifm stiftung & co. kg, Tettnang
"Wenn wir von Big Data sprechen, dann können wir doch nicht damit zufrieden sein, wenn diese Daten, diese Big Data, zersplittert sind in vielen verschiedenen Clouds. (…) Wenn wir in Deutschland wirklich vorankommen wollen, dann müssen wir Datenformate und die Datensemantik standardisieren, sodass ein logischer Datenraum entsteht und damit wir Innovation demokratisieren können. (…) Und dann greifen wir auch auf den Mittelstand zu, der ja unsere Stärke ist in Deutschland."
Dr. Arthur Kaindl
General Manager Digital Health Services, Siemens Healthcare GmbH, Erlangen
"Die Fragestellung ist aber weniger die, insbesondere für größere Firmen – wir haben die Telekom gehört, Daimler, Evonik, in meinem Fall eben Siemens –, was kann die Politik für einen tun, sondern was können wir für die Politik tun als große Unternehmen, die wir eine gewisse Vorbildfunktion haben? (…) Es ist extrem wichtig, dass wir jetzt selber – auch die Großunternehmen vor Ort – voranschreiten und nicht warten, bis sich die Rahmenbedingungen geändert haben. (...) Das ist ein wichtiger Beitrag, den wir auch leisten können, eben hier als Vorbild voranzugehen und Dinge unter den gegebenen Umständen umzusetzen."
Prof. Dr.-Ing. Wolfgang Marquardt
Vorsitzender des Vorstandes der Forschungszentrums Jülich GmbH, Jülich
"E-Science könnte die Produktivität, Qualität, Originalität und Integrität der Forschungsprozesse erhöhen. Wenn wir über offene Daten reden, müssen wir im Wissenschaftssystem eine nationale Struktur für offene Forschungsdaten aufbauen, die einheitlich und nicht nach Disziplinen, Bundesländern oder Institutionen fragmentiert ist."
Dorothee Dzwonnek
Generalsekretärin, Deutsche Forschungsgemeinschaft e.V., Bonn
"Beim Umgang mit wissenschaftlichen Daten geht es auch um Machtpolitik. Letztendlich geht es darum, dass diejenigen, die wissenschaftliche Daten brauchen, in Zukunft leichter, schneller, preiswerter und qualitätsgesichert an die Daten gelangen."
Prof. Dr. Stefan Wrobel
Direktor des Fraunhofer-Instituts für Intelligente Analyse- und Informationssysteme, Sankt Augustin
"Wir brauchen die Fähigkeit, zu gestalten. Wir müssen die Leute von der Schule und von der Ausbildung her lehren, die Digitalisierung nicht nur zu nutzen, sondern zu gestalten. Wir müssen ihnen sagen: Ihr müsst nicht verwenden, ihr könnt verändern!"
Dr. Wieland Holfelder
Leiter des Google-Entwicklungszentrums München, München
"Ich glaube, es geht darum, den Leuten computational thinking beizubringen. Die Schnittstelle zwischen Software und Hardware wird sich verändern und es muss nicht jeder Software-
entwickler werden, aber es muss jeder verstehen, was mit Software machbar ist. (…) Wir sprechen alle davon, wir müssen das Bildungssystem komplett umkrempeln, ich glaube, es wird extrem schwierig, Software oder Informatik als eigenes Schulfach in unserem föderalen System einzuführen und wir haben die Zeit nicht mehr, ganz ehrlich. Wir müssen auch hier – heute ist Kooperationen das Thema in unserem Kreis – über andere Methoden nachdenken."
Prof. Dietmar Harhoff, Ph.D.
Direktor am Max-Planck-Institut für Innovation und Wettbewerb, München
"Wir sind relativ gut darin – aufgrund von dualen Berufsausbildungssystemen, guten Kommunikationspfaden von Gewerkschaften und Industrie – negative Konsequenzen in der Arbeitswelt abzufedern. Das haben wir in den achtziger Jahren schon mal unter Beweis gestellt. (…) Aber wir müssen jetzt auch sehen, dass wir bei den neuen Chancen gut abschneiden."
Thomas Jarzombek
Mitglied des Bundestages und Mitglied des Ausschusses für Verkehr und Digitale Infrastruktur / Digitale Agenda, Berlin
"Ich halte es für die zentrale Herausforderung, das Bildungssystem so umzubauen, dass (…) Softwaresprachen genauso gelernt werden wie andere naturwissenschaftliche Sachverhalte (…). Mein zweiter Punkt (…): Wenn die Thesen stimmen sollten, dass die Hälfte der Arbeitsplätze sich so radikal verändert, wie kriege ich denn sowas wie MOOCs auch unter diejenigen, die eine duale Ausbildung gemacht haben?"
Prof. Dr. Andreas Schlüter
Generalsekretär des Stifterverbandes für die Deutsche Wissenschaft e.V., Essen
"Brauchen wir nicht ein radikales Umdenken in den Curricula in allen Bildungswegen? Und das zweite Thema: Brauchen wir nicht auch andere Formen der Kooperation? (…) Um zwei Beispiele zu nennen: Die ETH Lausanne hat über die Hälfte ihrer Studenten nicht mehr in Lausanne, sondern im Ausland. Und in Deutschland gibt es eine neue, nicht akkreditierte Universität:
Kiron, die 12.000 Geflüchtete zu ihren Studenten zählt und beides funktioniert rein online."
Dr. Georg Schütte
Staatssekretär im Bundesministerium für Bildung und Forschung, Bonn
"Ich finde es gut, wenn wir über Impulse reden, die von Stiftungen ausgehen, wie die Telekom Stiftung, die Bosch Stiftung. Ich möchte noch einmal auf Sie zurückkommen, Herr Harhoff: Ja, Jugend forscht. Wenn wir 'Jugend programmiert' oder 'Jugend digital' als Wettbewerb initiieren könnten, das wären also Leuchtturmprojekte, Anreizstrukturen, die wir benötigen. Wir brauchen auch ähnliches an Hochschulen. Wir haben in den Ingenieurswissenschaften natürlich Maschinenbaufakultäten, die bisher auf etablierte Industrien ausgerichtet waren. Wir müssen auch hier Pfadabhängigkeiten überwinden und schauen, wie können wir da in der Forschung und in der Ausbildung hinkommen zu neuen Modellen."
Matthias Machnig
Staatssekretär im Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, Berlin
"Wir müssen auch über institutionelle Kompetenzen nachdenken. Wenn wir zum Beispiel vier Ministerien haben und es nicht ganz klar ist, wer ist im Lead – dann entstehen daraus Probleme."
Timotheus Höttges
Vorstandsvorsitzender der Deutsche Telekom AG, Bonn
"Innovation denkt nicht in Technik, sondern in Lösung. Und zwar Lösung für den Kunden. (…) Der zukünftige Kundennutzen wird radikal in den Mittelpunkt der Produkt- und Prozessentwicklung gestellt. Die Vorgabe: Beeinflussen Sie das Leben von einer Milliarde Menschen positiv."
Dr. Reinhold Achatz
Head of Corporate Function Technology, Innovation & Sustainability, ThyssenKrupp AG, Essen
"Neue Geschäfte entstehen oft an Technologie- und Branchengrenzen. Dies wird von den in den klassischen Branchen arbeitenden Menschen oft nicht wahrgenommen. Daher ist Open innovation, das Einbeziehen von Menschen von außen, ein wichtiger Bestandteil der Vorgehensweise."
Catharina van Delden
Geschäftsführerin der innosabi GmbH, München
"Digitalisierung ist in allererster Linie ein sehr menschliches Thema. Es geht gar nicht so sehr um Technologie, natürlich auch, aber in allererster Linie haben wir über Mut gesprochen und es sind viele Begriffe gefallen wie 'wir müssen uns aufstellen wie ein Start-up', 'wir müssen agil handeln', 'wir müssen Tüftler sein', 'wir müssen Hacker sein'. Als Gründerin eines Software-Start-ups frage ich jetzt mal so ganz ketzerisch in die Runde: Wer von Ihnen hat denn schon mal gegründet? Wer von Ihnen kann denn programmieren? Ich würde jetzt daraus ableiten oder mir anmaßen zu sagen, die, die Verantwortung für Digitalisierung und Forschung im Unternehmen tragen, sind höchstwahrscheinlich größtenteils Menschen, die dieses Erfahrungswissen nicht mitbringen und auch so schnell nicht mehr erlernen werden. Das heißt konkret, wir müssen unsere Diskussion, die wir heute führen, greifbarer machen. Wir müssen sie mehr an Beispielen führen und wir müssen Tools nutzen, die diesen Menschen helfen, Agilität in Innovationsprozessen zu leben, auch wenn sie selbst nicht aus dieser agilen Softwareentwicklungswelt kommen."
Timotheus Höttges
Vorstandsvorsitzender der Deutsche Telekom AG, Bonn
"Kooperation ist nicht Kartell. Die horizontalen Wertschöpfungsketten der Zukunft brauchen unternehmerischen Willen zur Zusammenarbeit, aber auch Rahmenbedingungen. Dazu zählen Standards etwa bei der Industrie 4.0, die bereits genannten offenen Plattformen, gemeinsame Test Beds und eine Regulierung, die Kooperation zulässt, aber bei Missbrauch einschreitet."
Prof. Dr. Jörg Hacker
Präsident der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina, Halle an der Saale
"Wichtig, und das ist fast schon banal, ist die Internationalität und – wir haben es eben schon einmal gehört – die europäische Perspektive. Wichtig ist es, Stakeholder zusammenzuführen, gemeinsame Positionen zu finden, auch eine schonungslose Analyse, wie Frau Merkel gesagt hat, herbeizuführen, wenn es darum geht, Rahmenbedingungen zu setzen von der gesetzgeberischen Seite her und auch von der Förderseite her. Ich denke, wir sind uns einig: Digitalisierung ist nicht nur eine Weiterentwicklung von Techniken und Organisationsformen, ist nicht nur Industrie 4.0, sondern auch Gesellschaft 4.0 (…) und diese Transformation betrifft nicht nur Manager und nicht nur Wissenschaftler, sondern insgesamt führt sie zu einer Demokratisierung von Innovationen und der Gesamtgesellschaft."
Bildnachweise
de Graaf: European Union 2011 ∙ Hacker: Stifterverband/David Ausserhofer ∙ Harhoff: David Ausserhofer ∙ Holfelder: Frank von Wieding ∙ Jarzombek: Tobias Koch ∙ Kaindl: Siemens AG ∙ Klingbeil: Tobias Koch ∙ Machnig: Michael Voigt ∙ Marquardt: Forschungszentrum ∙ Merkel: Stifterverband/David Ausserhofer ∙ Reinhardt: Hasselblad H3D ∙ Schönbohm: BSI ∙ Schütte: Stifterverband/David Ausserhofer ∙ Wittkopp: Thomas Bender