Forschungsgipfel (Headerbild) (Foto: David Ausserhofer)

Schwerpunktthema 2020

Innovation und Vielfalt – zwischen kreativer Zerstörung und gesellschaftlicher Teilhabe

– Veranstaltung abgesagt –

Innovationen entstehen insbesondere dann, wenn eine Vielfalt an Ideen, Personen und Organisationen zur Bewältigung von Herausforderungen zur Verfügung steht. Erfolgreiche Innovationen verschaffen Wettbewerbsvorteile, führen häufig zu positiven Entwicklungsimpulsen in Unternehmen und Volkswirtschaften und bilden so die Basis für mehr Wohlstand.

Doch sowohl die Chancen, Innovationen hervorzubringen, als auch der Zugang zu Innovationen unterscheiden sich zum Teil erheblich zwischen den verschiedenen Regionen, Unternehmen und Bevölkerungsgruppen. Diese Disparitäten sind auf eine Reihe von historischen und anderen Randbedingungen zurückzuführen, aber eben auch auf die Innovationstätigkeit selbst. So können inkrementelle Innovationen dazu führen, dass die heute schon erfolgreichen Technologien, Geschäftsmodelle und Qualifikationen systematisch verbessert und aufgewertet werden, während die anderen im gleichen Zuge eine Entwertung erfahren. Vorhandene Disparitäten zwischen Regionen, Unternehmen und Bevölkerungsgruppen können auf diese Weise noch weiter zunehmen und sich verfestigen. Genauso können sich durch disruptive Innovationen ganz neue Chancen für die Entwicklung von Regionen und Unternehmen sowie für die individuelle Teilhabe ergeben. Doch nicht alle können die Chance gleichermaßen nutzen und erneute, tiefgreifende Ungleichheiten können die Folge sein. Wie sollten also Innovationsprozesse und Innovationspolitik ausgestaltet sein, damit die schöpferischen Kräfte der Innovation gegenüber den destruktiven überwiegen und gesellschaftliche Teilhabe sichergestellt werden kann?

Der Forschungsgipfel 2020 versammelt Führungspersönlichkeiten aus Wissenschaft, Wirtschaft, Zivilgesellschaft und Politik, um über die Rolle von Innovationen als Treiber von Disparitäten einerseits und auch als Mittel zur Überwindung von Disparitäten andererseits zu diskutieren. In welchem Ausmaß sind also Unterschiede in der Innovationsfähigkeit und Innovationsleistung von Regionen und Unternehmen aus gesellschaftlicher und volkswirtschaftlicher Perspektive sinnvoll und demnach zu akzeptieren? Welche politischen Strategien sind hilfreich für den Umgang mit wünschenswerter Vielfalt sowie für die Überwindung unerwünschter Disparitäten? Ist Innovationspolitik in diesem Zusammenhang überhaupt ein geeignetes Instrument? Dabei konzentriert sich jede Diskussionsrunde auf eine Ausprägung von Disparität – räumliche, soziale und unternehmerische.

 

Räumliche Disparitäten

Innovationsleistungen sind räumlich sehr unterschiedlich verteilt. Diese räumlichen Disparitäten sind auf politische und gesellschaftliche Rahmenbedingungen sowie eine ungleiche Ausstattung mit technischer Infrastruktur (zum Beispiel schnelles Internet, Transportinfrastruktur, Labore), gut ausgebildeten Fachkräften, Wissenschaftseinrichtungen oder Unternehmensclustern zurückzuführen. So existiert in Deutschland ein klar erkennbares Gefälle zwischen der Innovationsleistung südlicher Bundesländer und derjenigen ost- oder norddeutscher Bundesländer. Noch ausgeprägter sind das Innovationsgefälle innerhalb der Europäischen Union und das Nord-Süd-Gefälle auf globaler Ebene. Demzufolge bestehen in Deutschland, in der EU und weltweit deutliche Unterschiede in Wohlstand und Lebensqualität. Starke Stimmen in Politik und Gesellschaft fordern daher den Ausbau von F&I-Infrastrukturen und Forschungseinrichtungen in wirtschaftlich schwachen Regionen. Andere sprechen sich dafür aus, staatliche Mittel besser in Zentren statt in periphere Regionen zu investieren, um die internationale Wettbewerbsfähigkeit zu stärken.

 

Soziale Disparitäten

Innerhalb von Gesellschaften und Unternehmen gilt eine Vielfalt von komplementären Qualifikationen und Kompetenzen als wichtige Voraussetzung für Innnovationen. Doch Innovationen werden nicht nur von Gesellschaften und Unternehmen hervorgebracht, sie wirken auch auf diese zurück. Während einige Bevölkerungsgruppen massiv von neuen Erkenntnissen, Technologien und Geschäftsmodellen profitieren, können die Auswirkungen für andere negativ sein. Innovationen gehen mit Strukturveränderungen einher, die sich unmittelbar auf den Arbeitsmarkt und den Alltag der Menschen auswirken können. Dabei stellt sich die Frage, ob es das freie Spiel der Marktkräfte am besten vermag, die positiven Entwicklungen von Innovationen zur Entfaltung zu bringen oder ob den negativen Effekten von Innovationen durch proaktive Bildungs-, Arbeitsmarkt- und Verteilungspolitik entgegengewirkt werden sollte.

 

Disparitäten im Unternehmenssektor

Die Produktivitätswachstumsraten in Deutschland und anderen entwickelten Volkswirtschaften sinken seit einigen Jahrzehnten. Zugleich wird eine zunehmende Disparität der Innovationsleistung im Unternehmenssektor beobachtet: Der Anteil der Unternehmen, der Innovationen hervorbringt, sinkt. Die Innovationsaktivitäten konzentrieren sich zunehmend auf wenige große Unternehmen. Da das Wachstum der gesamtwirtschaftlichen Produktivität zu einem hohen Maß von Innovationen abhängt, wird die Konzentration der Innovationsaktivitäten auf immer weniger Akteure als einer der Hauptgründe für das sinkende Produktivitätswachstum angesehen. Die zunehmende Konzentration der Innovationsaktivitäten hat darüber hinaus einen sich selbst verstärkenden Effekt: Indem etablierte Unternehmen mit Hilfe von Innovationen immer komplexere Technologien einsetzen, errichten sie Barrieren, die anderen Unternehmen den Markteintritt erschweren. Eine Gegenstrategie kann in diesem Zusammenhang sein, darauf hinzuwirken, dass sich nationale oder europäische Champions herausbilden. Ein anderer Ansatz könnte sein, den Fokus auf die Unterstützung von KMU und Start-ups zu richten, damit neue Technologien und Geschäftsmodelle auf den Markt kommen.